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Vom meditativen Umgang mit Gefühlen

… und warum ich da durch muss. INSIGHTS OF MEDITATION V

 

Gefühle, insbesondere negative Emotionen, sind immer noch für viele Menschen eine große Grauzone. Sie sind da, wir handeln aufgrund von ihnen, sie nehmen uns ein und gleichzeitig setzen wir uns mit ihnen nicht wirklich auseinander. Die buddhistische Psychologie sieht Gefühle als den Hauptantrieb unseres Lebens und als Hauptursache für Freude und Leid.

 

Freude wollen wir natürlich alle annehmen, es ist das Leid, das wir umgehen wollen.

 

Und damit sind wir auch schon mitten im Thema drin. Denn wir müssen verstehen, dass es auch die leidvollen Gefühle sind, die wir akzeptieren müssen, die in unserem Leben ihren Platz brauchen, damit die Freude auch voll und ganz ihren Raum einnehmen kann.

 

Ich kann mit Sicherheit sagen, dass das Jahr 2018 eines der grauenvollsten war, was das Leben in punkto Emotionen bisher für mich zu bieten hatte. Als meine Tochter Clara im Mai geboren wurde, wurde meine Welt komplett in Einzelteile zerstückelt und hat sich bis heute, am Ende des Jahres, auch noch nicht wieder zusammen gefügt. Clara wurde krank geboren, ihre Organe waren nicht so, wie sie sein sollten, und sind es auch immer noch nicht. Wochenlang musste ich sie jeden Abend zurück lassen, ein Trauma, was immernoch tief in mir drin sitzt.  Sieben mal habe ich sie bisher vor dem OP in die Arme der Anästhesisten abgegeben, die Angst, dass sie das und alles andere nicht überleben wird, war und ist mein ständiger Begleiter. Clara hat ein massives Atemthema, was ihr und dann auch mir die Luft wegnimmt. Bis hin zum schlimmst-möglichen Ausgang. Es gibt keine passende Beschreibung für das, was in mir vor sich geht, wenn sie in meinen Armen liegend zu ersticken droht. Zudem ist das ein makaberer Scherz des Schicksals, bin ich ja Yogalehrerin und bringe doch sonst anderen Menschen das richtige Atmen bei. Ich war also diversen Momenten ausgesetzt, die von den Gefühlen her so belastend bis hin zu zerreißend waren, dass es mich gefühlt innerlich selbst zerrissen hat. Und ich auch oft diverse Male erstmal nicht mehr weiter gehen wollte. Wie soll ich damit umgehen, möchte und muss ich doch stark für meine Tochter sein?

 

WIE WIR MIT POSITIVEN GEFÜHLEN UMGEHEN (wir wollen mehr davon!!!)

Doch wenden wir uns erst einmal den angenehmen Gefühlen zu. Oh ja… keine Frage, wir wollen mehr von ihnen. Wir stricken unser Leben so, dass wir möglichst viel von ihnen abbekommen könnten und verbinden damit Zufriedenheit und Glück. Wir sind zu Glückssuchern geworden. Es gibt eine wahnsinnig große Industrie, die uns das Glück an jeder Ecke verspricht. Und damit diese angenehmen, freudigen Gefühle. Sie stecken in unserem Aussehen, unserer Kleidung, Kosmetik und anderen Statusobjekten, unserer schön eingerichteten Wohnung, aber auch in abstrakteren Vorstellungen wie dem perfekten Lebenslauf, der richtigen Bildung und natürlich dem passenden Bild, was ich nach außen abgeben kann.

 

Es ist die perfekte Fassade, die wir stets gerne hätten, nicht nur vor anderen, doch auch vor uns selbst.

 

WIE UNS NEGATIVE EMOTIONEN DAZWISCHEN GRÄTSCHEN

Käme da nicht das Leben dazwischen, das mehr für uns zu bieten hat, als diese eine Seite.

 

Es ist die Seite des Lebens, die wir gerne abspalten wollen. Sie ist verbunden mit von uns interpretierten negativen Empfindungen und Gefühlen, denen wir gerne ausweichen, die wir gerne vermeiden wollen. Es sind Angst, Furcht, Verletzlichkeit, ein sich klein fühlen, unsicher sein, etwas nicht wissen, oder auch das wirklich unangenehme Schamgefühl.

 

Wir gestalten unser Leben so, dass wir möglichst nicht mit ihnen in Kontakt treten können. In extremen Fällen, die gar nicht so selten sind und von denen es verschiedene Abstufungen in den allermeisten von uns gibt, hat zum Beispiel eine Versagensangst uns so sehr im Griff, dass wir nicht wachsen, nicht weiter kommen können. Oder wir bewerben uns nicht um die neue Arbeitsstelle beziehungsweise die Beförderung, aus Angst, nicht genommen zu werden. Wir wagen es auch nicht, nach größeren Dingen zu greifen, könnte der Fall danach zu tief sein. Dein Herzensprojekt zum Beispiel, was für immer in deinem Kopf bleiben wird. Wir können nicht kreativ und innovativ sein, aus Angst, uns zu zeigen und auf Ablehnung zu stoßen. Oder wir fürchten uns vor Zurückweisung, vorm Allein-Sein, vorm Verlassen werden, davor, uns zu zeigen.  Und so können wir uns nicht demaskiert auf Beziehungen einlassen, denn es ist scheinbar einfacher, etwas darzustellen. Lieber perfekt sein als authentisch. (Siehe hierzu auch mein Artikel über Perfektionismus)

Also tun wir lieber gar nichts, schrecken zurück, und leben ein Leben der Anpassung, in dem uns nichts passieren kann. Kein unangenehmes Gefühl. Ja, das trifft es auf den Punkt… es passiert nichts. Es ist ein Leben von der Stange. Über die Auswirkungen auf uns brauchen wir gar nicht zu sprechen, das weißt du nur zu gut.

Und auch in Auseinandersetzungen mit anderen stoßen wir auf sie, auf diese Gefühle, die wir gar nicht wahrhaben wollen. Und allzu leicht geben wir hier dem anderen die Schuld. Er hat den Knopf gedrückt, ich habe das Recht, so zu reagieren, es ist nicht meine Schuld. Deine Wut lässt grüßen.

 

WAS MEDITATION FÜR DICH TUN KANN

 

Der Umgang mit Gefühlen in der Meditation: beobachten, sein lassen, aufkommen lassen. Lernen, nicht sofort darauf zu antworten, zu reagieren.

 

Der meditative Ansatz ist es nicht, diese Gefühle irgendwann mit einer Gehirnwäsche in gute Gefühle umzuwandeln und uns ständig sagen zu können… ich habe keine Angst… ich habe keine Angst… ich habe keine Angst, alles ist gut. Der meditative Ansatz ist es, das Gefühl, in diesem Beispiel die Angst, erst einmal zulassen zu können, wahrnehmen zu können, da sein lassen zu können, ohne sie zu umgehen. Auch zu spüren, was macht sie mit mir, was baut sich auf. Was ich damit beabsichtige ist es – und da hilft Meditation – das Gefühl zu reflektieren. (Wut ist da zum Beispiel eine für viele beliebte Strategie. Also bevor ich das Gefühl von Verletzlichkeit zulasse, werde ich lieber erst einmal wütend auf den anderen)

Was passiert aber irgendwann mit etwas Praxis? Vor dem Gefühl breitet sich ein Raum aus, eine Distanz, der wohltuende Abstand des Beobachters. Und aus dieser Distanz heraus merke ich: ja… die Wut ist da. Aber ich bin nicht mehr die Wut, ich bin nicht mehr die Angst, ich bin nicht mehr die Verletzung. Sie sind da, denn sie gehören zum Leben mit dazu. Und ich will das ganze Leben leben, wenn es authentisch sein soll. Ich werde auf einmal selbstbestimmt, mein Handeln ist davon nicht mehr abhängig.

 

Und das ist dann auch irgendwann der Moment, wo die Emotion keine Macht mehr über dich hat. Und dann vielleicht auch gehen kann.

 

Wenn wir Gefühlen in unserem Leben nicht entgegen treten können, weil wir aus unterschiedlichsten Gründen Angst davor haben, dann betäuben wir uns und unseren Körper. Wir machen uns gefühllos, um nicht fühlen zu müssen. Und was passiert noch? Wir können nicht selektiv die eine Seite unserer Gefühle betäuben und die andere dadurch unberührt lassen. Beides gehört zusammen. Wollen wir uns auf Schamgefühl und Verletzlichkeit nicht einlassen, dann können wir das auch nicht richtig auf Freude, Lachen, Liebe, Leichtigkeit. Und beides ist ein riesiger Einschnitt auf unserem Weg zu einem selbstbestimmten und authentischen und einfühlsamen Leben, in dem wir alles annehmen können, was kommt.

 

Das ist der Weg zu Resilienz.

 

In unserem Podcast MINDFUL MINUTES findest du die Meditation Gefühlswellen, die sich genau auf dieses Thema eingeht und dich und deine Gefühle reflektieren lässt.

 

Ich kann in meiner Situation vergessen, mir vorzumachen, dass doch alles gut ist. Die Gefühle irgendwie ignorieren, ist unmöglich. Sie erschlagen mich quasi. Hin und wieder ist sie da, diese immense Verlustangst. Nicht zuletzt, weil wir auch immer wieder lebensbedrohlichen Situationen ausgesetzt sind, die uns schon deutlich zeigen, dass wir uns nicht einfach zurücklehnen können. Kein schlauer Spruch kann mir das nehmen. Dabei gibt es davon eine Menge. Doch was passiert auch? Neben diesem sehr betäubenden und einnehmenden Gefühl steht etwas anderes. Der Beobachter in mir verschafft ihr Raum. Da steht eine immense Lebensfreude. Verbunden mit purer Leichtigkeit. Ein Lachen von Clara, und in mir geht alles auf.

 

Wie schön das Leben sein kann.

 

Es ist zu kurz, dass du es dir leisten kannst, dich nicht mit allen Aspekten zu beschäftigen. Du solltest es dir wert sein. Wut, Angst, Verletzlichkeit… alles das ist ein Teil von dir.

 

 

 

 

PODCAST
# 11 Meditation – Gefühlswellen

Diese Meditation handelt von Gefühlen, den großen, den kleinen, den alltäglichen. Sie zeigt uns, wie wir damit umgehen können. Kein Gefühl, kein Verlangen, kein Empfinden bleibt auf Dauer. Doch was können wir machen, damit wir nicht immer wieder blind auf Autopilot automatisch reagieren? Wir wollen einfach mal nur von der Seitenlinie aus zuschauen, Beobachter werden von dem, was da so wellenartig in uns aufkommt. Alles kommt… und alles geht…

 

 

 

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Dani

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