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Perfektionismus – lieber nicht…

… Warum es uns am Wachsen hindert, wenn wir jeder Anforderung gerecht werden und immer alles perfekt machen wollen.

 

Bist du perfektionistisch eingestellt? Vielleicht kannst du die Frage mit einem klaren Ja oder Nein beantworten. Mit Sicherheit ist diese Frage jedoch falsch formuliert, denn sie ist viel zu allgemein gestellt. Also stelle ich sie um: auf welchen Gebieten bist du perfektionistisch eingestellt? Denn das trifft auf die allermeisten von uns zu.

 

Es gibt diverse Lebensbereiche, in denen wir nicht vor Perfektionismus sicher sind. Mich in meinem Umfeld und bei mir selbst umschauend, fallen mir auf die Schnelle folgende ein:

 

Aussehen, Körper, Beruf, Partnerschaft, Elternsein, Kindsein, Freund(in)sein, Hobbies, …

 

und noch viele mehr. Wohlgemerkt geht es hierbei nicht um das Resultat, also ob wir am Ende tatsächlich so handeln, dass alles perfekt ist. Denn das wissen wir, das kann sowieso nicht klappen.

Es geht hierbei um unsere Einstellung, und genau die ist es, die uns dabei massive Steine, wenn nicht sogar Felsbrocken in den Weg legt.

 

Das Warum

Warum streben wir es also an, alles perfekt zu machen? Und warum ist es so schwierig, in vielen Bereichen auch mal Fünfe grade sein zu lassen und uns lieber mit einem milden Blick zu begegnen, als einem kritisch strafenden?

Die Antwort ist einfach:

Perfektionismus ist quasi unser eigener Schutzschild, um nicht getroffen und um damit nicht verletzt werden zu können. Verwundbarkeit ist etwas, dem wir alle sehr gerne aus dem Weg gehen. Denn wir haben es nicht verstanden, dass uns das Zulassen von Verletzlichkeit stark macht anstelle von schwach. Aber das ist ein anderes Thema.

Wir machen nicht gerne Fehler. Und das kann sogar soweit gehen, dass wir diese abstreiten und uns damit selbst verleugnen. Unser Irrglaube ist es, dass, wenn wir keine Fehler machen, wir nicht angreifbar sind. Und wenn wir Perfektionismus anstreben, machen wir so gut wie gar nichts bis überhaupt nichts falsch. Und wir sind sicher. Aber:

 

Nur der Freie hat erkannt, dass Fehler im Leben dazugehören und unausweichlich sind. Denn der, der weiter kommen und wachsen will, macht zwangsläufig Fehler. Nur der, der stehen bleibt, ist vor ihnen sicher.

Der, der frei ist, hat erkannt, dass es nicht darum geht, keine Fehler mehr zu machen, sondern durch diese zu wachsen. Seine Grundeinstellung ist eine andere.

 

Die verheerenden Folgen

Sich selbst schützen zu wollen, indem wir nicht fehlerhaft sind und alles richtig machen, hat leider weitreichende Konsequenzen für uns und unser Leben. Denn ich wage es nicht, mich wirklich auszuprobieren. Und sowieso… ich werde immer wenig wagen. Ich kann mich kaum auf einem Terrain bewegen, auf dem ich nicht mindestens sehr gut bin. Und so werde ich nicht wachsen, denn ich müsste klein anfangen, und klein ist nicht gut, klein ist unsicher, klein bedeutet Fehler begehen, klein ist nicht perfekt.

Und damit geht auch Lebensfreude verloren. Sogar eine Menge. Ganz klassisch: Tanzen. Dance like nobody’s watching. Die Angst davor, sich lächerlich zu machen, erstickt mein Bedürfnis, mich treiben zu lassen, einfach nur zu genießen. Oder auch: Singen: “Ich habe das doch nie gelernt, ich kann nicht singen.” Perfektionismus erstickt unsere Kreativität. Und hält uns klein im Leben. “Ich… das kann ich nicht.” Sagen sich viele, wenn es darum geht, sich beruflich neu zu orientieren, und zwar weg von dem eigentlich Gelernten. Was uns besonders hier in Deutschland trifft, mit unserem Ausbildungssystem, in dem man viel zu wenigen Quereinsteigern eine Chance gibt.

 

Ich kann das nicht, ich wage es nicht, ich mache das nicht.”

 

Findest du dich da irgendwo wieder?

 

Ich

Als ich EVACURA gegründet und meine erste Homepage verbreitet habe, war ich ganz ängstlich gespannt auf die vielen Reaktionen meines Umfeldes. Denn es war die meines Vaters, die typisch passend für meine früheren mich selbst sabotierenden Glaubenssätze war. Nachdem er meine Homepage angeschaut hatte, haben wir miteinander telefoniert. Er hatte von sich aus nichts gesagt, also habe ich ihn halbmutig und betont beiläufig angesprochen (mich selbst belügend mit einem Unterton, dass es ja eigentlich gar nicht wichtig wäre), ob er sie gesehen hätte. Seine Reaktion war beispielhaft: “Hast du die Homepage von Anne-Kathrin gesehen? Wenn du es mal ernst angehen möchtest, vielleicht kann sie deine ja für dich gestalten.” Wow… niederschmetternd.

Und genau das trifft es auf dem Punkt. Hätte es perfekt sein müssen, um Lob für meine hunderte Stunden lange Arbeit zu bekommen? Hätte es perfekt sein müssen, Anerkennung dafür zu bekommen, dass ich es wage, kreativ zu sein, obwohl ich doch eigentlich Archäologin bin? Hätte es perfekt sein müssen, um dafür bewundert zu werden, dass ich mich raus in die Arena wage und mich zeige? Ich bin kein Webdesigner, kein Photograph, kein Texter, oder sonstwas. Anne-Kathrin aber schon. Das innere Kind in mir schreit auf. Ja, zieh dich zurück. Denn das Kind braucht Anerkennung, Zustimmung für sich. Um sich gut zu fühlen. Es hält den Atem an, während es die Antwort meines Vaters vernimmt. Es zieht sich kleinlaut zurück, aus Angst vor Nicht-Annahme und damit Verletzung. Ich bin nicht perfekt, also nicht gut genug. Lieber nichts wagen.

Die Erwachsene in mir von heute schaut sich das an. Sie erkennt das kleine Mädchen in sich und fühlt mit diesem mit. Sie kennt seine Glaubenssätze nur zu gut. Und entscheidet sich ganz bewusst dagegen. Denn ich bin mittlerweile darüber hinausgewachsen, weil ich es wage, nicht perfekt zu sein.

Ich weiß, wer weiter kommen will, braucht neue Glaubenssätze. Und einer davon ist:

 

Perfectionism sucks.

 

EVACURA gibt es immernoch. Und ich denke nicht daran aufzugeben.

Ein Plädoyer fürs einfach machen. Und gegen den Perfektionismus.

 

 


 

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   Dani arbeitet seit Jahren mit Menschen, die sich selbst in irgend einer Art und Weise verloren haben und wieder neu spüren wollen. Sie unterrichtet Yoga und Meditation und arbeitet als Trainerin im Bereich Stressmanagement. Dabei spielt nicht nur ihr wissenschaftlicher Hintergrund eine besondere Rolle, der ihr bei der Herangehensweise an  

diese Themen sehr wichtig ist. Sie setzt auch das um, was sie auf ihrem eigenen Weg erfahren durfte. Authentizität, in die Stille gehen und Persönlichkeitsentwicklung sind dabei ihre Hauptanliegen. Sich dem Leben voll und ganz stellen, auch wenn wir ihm manchmal gerne den Rücken zukehren wollen. 

 

 

 

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Dani

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